16
.
January
2024

Die Trauerrednerin

Frau H. besucht uns und stellt sich als Trauerrednerin und -Begleiterin vor.
Danach besuche ich ihre Webseite und sehe, dass sie auch Hochzeitsrednerin ist.
Danach war ich skeptisch.

Und es erinnert mich daran, dass ich mal als privat engagierter Hochzeitsfotograf dem Paar gesagt habe, dass ich auch Scheidungsfotos mache und gerne wieder komme.
Ich hatte damals wie heute so einen Humor, den nicht alle gut finden. Heute würde ich so etwas nicht mehr sagen. Nicht nur, weil man politisch korrekt sein sollte, sondern weil so ein Spruch am schönsten Tag des Lebens immer nur falsch verstanden werden kann.
Aber nun gut,- es waren Freunde von mir,- die kennen mich.

Warum war ich skeptisch? Ein Autor von Krimis muss auch Kinderbücher schreiben dürfen. Entscheidend ist, ob beides Qualität hat.
Ich finde: Im Glücklichsein ähneln sich die Menschen - in der Trauer unterscheiden sie sich.

Im Umgang mit Trauer bedarf es der Erfahrung mit vielfältigsten Gefühlen.
Hier trifft man auf Menschen, die mit dem plötzlichen und unerwarteten Tod ihres Partners konfrontiert sind, dem sie gestern noch hinterher riefen "Bis heute Abend dann".
Es braucht Erfahrung, wenn man im Gespräch mit Angehörigen ist, die jemanden über einen langen Zeitraum hinweg begleitet, betreut oder gepflegt haben.

Trauer und Verzweiflung sind sehr starke Gefühle.
Menschen, die in der Hospizarbeit waren oder in der Trauerbeleitung sind da klar im Vorteil.

Denn der Trauerreder kennt den Verstorbenen nicht und hat die Aufgabe, sich im Gespräch mit den Hinterbliebenen unter denkbar traurigen Umständen einfühlen zu müssen. Durch dieses Nadelöhr muss der Trauerredner - der Hochzeitsredner wird von der Euphorie der Beteilgten eher ins Ziel getragen.

Pastor B. - als Trauerredner zum ersten Mal bei uns- kannte den Vertorbenen auch nicht.
Aber er hat es sehr gut gemacht:
Er erinnerte nicht an die Aufs und Abs im Leben des Verstorbenen, sonder brachte das, um die Ecke rum, mit Bibelzitaten auf den Punkt. Denn zu Situationen, wo uns jemand verlässt und wir allein da stehen mit unseren Erinnerungen, den Gefühlen und der Angst davor wie es denn nun weitergehen kann,- ja, dazu gibt es in der Bibel sehr gute Analogien.

Und Pastor B. platzierte diese Zitate nach einem Bezug zum Verstorbenen immer sehr abgesetzt und klar in den Raum,- mit einer guten Stimme, die durch die Akustik in der Kirche noch eindringlicher wurde. Die Zitate aus der Bibel gingen den Leuten unter die Haut, weil sie einen Trost versprachen, der stärker ist als der empfundene Verlust . Ich kam mir fast vor wie auf einer Gospel-Predikt in den Südstaaten … oder dem was ich mir darunter vorstelle.

Hier mal ein Vorschlag:

Wie wäre es denn, mehrere Menschen, die den Verstorbenen kannten, zu kurzen Beiträgen einzuladen: Kollegen, Freunde oder auch Jungs und Mädels aus der Zeit der Jugendsünden, die auch im Alter noch zu Besuch kamen.
Über einen Verstorbenen persönliches zu erzählen bringt Emotion und Authentizität ins Spiel, passiert aber auf dünnem Eis. Sowas sollte man deshalb besser aufteilen,- das ist weniger riskant.

Stefan Schuster